„Om buschman hat viele Facetten…“ – ein Zitat aus unserem „homemade“ Video (u.a. gedreht in Uli’s Wohnzimmer).
Der Satz drückt alles aus, was du als Musiker und Bandmitglied in den vielen Jahren mit diesem verrückten Ensemble erleben konntest.
Um meine folgende Geschichte zu verstehen, muss man wissen, dass ein Konzerttag von Om buschman im kompletten Set fast immer so ablief:
Anreise, 3 Stunden Aufbau, 2,5 Stunden Konzert und 1,5 Stunden Abbau.
D.h., wenn wir an einem Tag ein Konzert hatten und am nächsten Tag ein Konzert in einer anderen Location (was eigentlich der Normalfall war), hieß es am nächsten Tag: Anreise, 3 Stunden Aufbau, 2,5 Stunden Konzert, 1,5 Stunden Abbau.
Ok, das ist sicher für die meisten Bands auf der Welt nichts Aussergewöhnliches, aber:
Wer bei Om buschman mitmusizieren wollte, wusste sehr schnell, dass Aufbau, Konzert, Abbau alles aus eigener Hand kam (im wahrsten Sinne des Wortes) und das bedeutete: …ungefähr 120 Instrumente auf einer Bühne präsentiert in einer ausgeklügelten Performance aus Musik, Theater, Tanz, Licht- und Soundeffekten….
Eigentlich waren wir die „selfmade Band par excellence“ und jeder der bei dem Rhythmusspektakel mitmachte, hatte immer gleich mehrere Aufgaben.
So war ich nicht nur einfach der Bassist der Band, sondern auch „Förster“, Percussionist „honoris causa“, Vorarbeiter mit Luftpumpe und -ballon, Bühnenaufbauhelfer (mit leitender Funktion im Bereich Stageboxverkabelung), Booker und – weil ansonsten unbeschäftigt bei der Intro-Percussionnummer – Tänzer.
Da ich nie als Tänzer ausgebildet wurde, hieß es hier, dem verehrten Publikum zuliebe kreativ sein und improvisieren.
Idee und Thema der Om buschman-Tanz-Nummer lautete ungefär so:
„Plötzlich erscheint ein mystisches Wesen aus dem Nichts und beginnt mit seinem ekstatischen Tanz!“ Das klang für mich nach ‚magischem Auftauchen im Schwarzlicht und wildem Bewegungstheater im Finale‘.
Nach „unzähligen“ Proben in der Fixheide (unserem Proberaum) stand endlich die gemeinschaftlich ausgeklügelte Choreographie.
Unverzichtbar bei der Tanznummer war unsere (bzw.de facto von Uli) selbstgebaute Schwarzlichtstation (Schwarzlichtröhre in länglichem Flightcase an Percussionstativ mit Molton-Verkleidung). Dazu kamen ein paar weiße Theaterhandschuhe, eine weiße Theatermaske getackert mit fluoreszierenden Stofffetzen, ein schwarzer Umhang mit Logo aus fluoreszierendem Stoff und – für mich unverzichtbar, um das ekstatische Finale umzusetzen – ein schwarz angemalter ehemaliger Besenstiel, an dessen Enden lange, mit fluoreszierender Farbe angemalte Stofffetzen befestigt waren. Bei wild kreisenden Bewegungen des Besenstiels im Schwarzlicht erschien es dem Zuschauer wohl so, als würden unsichtbare magische Kräfte das Spiel der bunten Stofffetzen leiten. Und ein weiterer Vorteil dieses genialen Utensils: Es funktionierte auf den kleinsten Bühnen, auf der mir und später mir plus Martina – die die Choreografie übrigens durch ihre grazilen und harmonischen Bewegungen enorm aufwertete – oftmals nur gute 1,5 qm Raum blieb, da der übrige Platz mit Kabeln, Steckdosen und den ca. 120 Instrumente auf der Bühne belegt war (s.o. Skizze).
Das Gesamtergebnis – anfangs durchaus zu meiner eigenen Verwunderung – war: Die Nummer funktionierte immer und war der euphorisierende Opener unserer Show.
Ich fühlte mich deshalb allmählich immer sicherer in meiner Rolle als Blacklight-Dance-Performer und glaubte das Ding quasi schon wie im Schlaf „abfackeln“ zu können, bis…
Ja, bis zu jenem unsäglichen „Tag des Vergessens“.
Ich hatte etwas Elementares für die Show vergessen, dieses Trauma sollte mich noch Jahre später in so manchen Alptraumnächten verfolgen.
Das ganze passierte genau am 26.1. 1993 (schön, dass die Kollegen die Tourdaten so genau aufgearbeitet haben).
Ein Tag, der zu meinem Heimspiel werden sollte, denn wir hatten ein Konzert in Köln-Ehrenfeld, im Urania-Theater. Ja, in meinem Viertel, in dem ich 20 Jahre meines Lebens gewohnt hatte und in dem Theater – 100 Meter von meiner Wohnung entfernt-, in dessen Theater-Café ich allabendlich meinen letzten Absacker zu mir nahm, um danach selig in mein wohliges Etagenbett in der Senefelderstrasse abzutauchen.
Natürlich war ich aufgeregter als normalerweise, weil ich wusste, dass viele meiner Freunde, Bekannten und Nachbarn aus Ehrenfeld kommen würden, um Om buschman live zu sehen.
Ich hatte damals schon große Teile des Bookings von Om buschman übernommen und natürlich bei diesem Konzert (quasi vor der Haustür in meiner Stammlocation) die Organisation mit dem Veranstalter akribisch besprochen: ‚Wann können wir aufbauen, ent- und beladen, wo kann unser LKW parken‘ (die katastrophale Parksituation in Köln-Ehrenfeld war mir bestens bekannt) usw..
Vor dem Konzert verlief alles zum Feinsten. Wir waren sogar schon ca. 30 Minuten vor Konzertbeginn komplett fertig mit dem Bühnen- und Technikaufbau und es reichte sogar noch für den ein oder anderen Smalltalk mit guten Bekannten vor Beginn der Show. Das passierte eher selten, da es meistens bis wenige Minuten vor Showbeginn immer noch irgendeinen Stecker zu reparieren gab, oder irgendein ein Kabel ausgetauscht werden musste, oder…
5 Minuten vor Konzertbeginn, der Zuschauerraum war bereits gefüllt, verzog ich mich routinemäßig an einen für die Zuschauer nicht einsehbaren Ort hinter der Bühne, um mich für die Anfangsnummer „Der Tanz“, die immer in völliger Dunkelheit auf der Bühne begann, zu verkleiden. Wie gesagt: weisse Maske, schwarzer Umhang, weisse Handschuhe. Den Schwarzlichtschalter (der manches mal „Mucken“ gemacht hatte) hatte ich vor dem Konzert noch einmal gecheckt, alles Ok! – Eigentlich konnte es in wenigen Sekunden ganz entspannt und in gewohnter Routine losgehen. Ich robbte mich also in völliger Dunkelheit von der Seite hinter das Schwarzlichtstativ, tastete noch einmal den Boden ab auf der Suche nach dem Fußschalter für die Schwarzlichtleuchte, doch dann der Schock: „Scheiße“, der Tanzstock!? – Ich spüre heute noch dieses Gefühl, in diesem Moment – quasie wie Rumpelstilzchen – im Boden versinken zu wollen, aber es half nichts, was sollte ich machen? – Mein erster Gedanke: „…Scheiße, der Stock ist noch im LKW, wo ich Idiot ihn vergessen habe. Was jetzt? – Im Dunkeln schnell zum Rally, unserem Tontechniker und LKW-Eigentümer, den Schlüssel holen, raus zum LKW, LKW aufschließen, Stock rausholen, zurück in den Konzertsaal, in der Dunkelheit unbemerkt hinter meiner Schwarzlichtstation verschwinden und…??? Verzweifelt spielte ich das Szenario noch mindestens dreimal im Kopf durch, um dann resigniert einzusehen: „Das funktioniert nicht.“ – Auch wenn ich die Kollegen Perkussionisten 15 Minuten in der Dunkelheit improvisieren lassen würde, mein Plan konnte nicht aufgehen. Sowohl Seiteneingang als auch Toreingang zum Seiteneingang waren vorsorglich vom Veranstalter verschlossen worden. Das hieß, ich hätte auch noch die Schlüssel vom Veranstalter besorgen müssen, um unbemerkt mit meinem Tanzstock wieder in den Konzertsaal zu gelangen.
Es half alles nichts, ich musste da durch – ohne Stock!
Mit zitternden Knien betätigte ich den Schalter für das Schwarzlicht (das Zeichen für die Kollegen Perkussionisten, das jetzt die Choreografie los geht), um dann, wie gewohnt, meine eingespielten Bewegungen und Gesten des mystischen Wesens, dass aus dem Nichts auftaucht, zu vollführen, in dem ich Kopf und Oberkörper schlangenartig über den Rand des Schwarzlichtstativs nach oben drückte. Ein bis zwei kreisende Armbewegungen mit rechts, ein bis zwei kreisende Armbewegungen mit links, dann wieder langsam abtauchen und hinter dem Schwarzlichtstativ und dem Vorhang aus Moltonstoff verschwinden, Licht ausschalten und auf den entscheiden Break zur Einleitung des“ schnellen Parts“ warten.
Jetzt ging’s um alles! Der zweitaktige Break ertönte: Schwarzlicht wieder an und auf „Eins“ sprang ich, wie von der Tarantel gestochen, ins Zentrum der ca. 2 qm großen Tanzfläche und setzte alle Körperteile durch wilde Verrenkungen in Bewegung, drehte mich rechts rum, drechte mich links rum, lies die Arme mit Händen in weißen Handschuhen wild kreisen, warf sie nach rechts, nach links, nach oben, nach unten, sprang vom rechten Bein aufs linke und umgekehrt. Ich gab einfach alles und war fast atemlos, als endlich die erlösende Einleitung zum Schlußbreak ertönte: „Papa papa dam dam, papa papa dam dam, papa papa dam dam, papa papa dam dam puischsch! Auf „puischsch“ lag ich am Boden und drückte auf Punkt auf den Schwarzlichtschalter, auf „puischsch“ zündete Rally den Pyro der zischte und ein raunendes „Oooaahh!“ schalte von den Zuschauern herüber. Kurze absolute Stille und dann: „Tosender Applaus“! – Mir fiel ein Stein vom Herzen, es hatte funktioniert, auch ohne „magischen“ Tanzstock.
Im weiteren Konzertverlauf klappte dann alles wie am Schnürchen. Es war ein schöner Konzert-Abend, auf den mich meine Freunde, Bekannten und Nachbarn noch Jahre später begeistert ansprachen.
Der „Tag des Vergessens“ hatte meines Erachtens aber bis heute bleibende Wirkung bei mir hinterlassen.
Es gibt immer wieder mal Nächte, in denen ich mich im Traum im Auto mit den Om buschman-Kollegen wiederfinde, wo wir gutgelaunt und voller Erwartung auf dem Weg zu irgendeinem Konzert in Deutschland unterwegs sind. Kurz vor dem Ziel kommt dann wieder dieser Schock: „Scheiße, ich hab meine Bassanlage vergessen einzuladen…“. Der Schreck ist dann so groß, dass ich abrupt aus dem Traum erwache, kurz überlege, um dann befreiend feststelle: „He, war doch nur im Traum!“
Weiter so!
Es grüßt Euch
Kalla